Port Racine, der kleinste Hafen Frankreichs, hat nur 28 Liegeplätze. 800 Quadratmeter sind im Grunde nichts - wenn man bedenkt, dass die Lage am Rande einer Bucht weitaus mehr zugelassen hätte. Mehr Platz ist nämlich reichlich vorhanden. Unzählige Fischgründe vor der Tür und entsprechend viele Fischerboote säumen seit jeher die Nordspitze der Normandie. In der Nähe wurde zu Ehren des Dichters und Chansonschreibers Jacques Prévert ein Lustgarten angelegt. Ablenkung gibt es jedenfalls reichlich, um von dieser nicht ganz gelungenen Hafengeschichte abzulenken.
Wer sich das kleine "Hafenjuwel" anschaut, wird sich bald die Frage stellen, ob diese Einrichtung ursprünglich wirklich für den profanen Fischhandel oder gar (wie behauptet wird) für (Miniatur-)Piratenschiffe (denn die Länge solcher Boote, die dort hätte "parken" können, ist äußerst gering) konzipiert wurde. Im Gegensatz dazu ist die Mauer (Kai) extrem breit, massiv und enorm aufwendig angelegt. Um zu verhindern, dass die Boote miteinander kollidieren, sind sie zudem alle an Seilen befestigt, die an den Kaimauern befestigt sind. Meiner Meinung nach sieht dies nicht nach einer gut durchdachten Lösung für Fischer- oder Piratenboote/-boote aus.
Piratenschiffe sollen also diese enge Einfahrt passiert haben? Soso …
Strippenziehen ganz nach Plan.
Überproportional breite Landungsstege, enge Durchfahrt. Passt alles nicht so recht zusammen.
Das Ganze wirkt eher wie eine Coverstory für etwas anderes. Der Minihafen wird im Westen von einer endlos langen Befestigungsmauer gesäumt, die als "Deich" bezeichnet wird. Man könnte hier auch zu dem Schluss kommen, dass dieser Abschnitt ursprünglich zu einer gewaltigen Befestigungsanlage gehörte, die irgendwann zerstört wurde. Aber wahrscheinlich ist dies nur eine fixe Idee von mir, denn darüber gibt es (vorläufig) keine Aufzeichnungen, die ich finden konnte.
Reichlich Mauerwerk ohne Funktion neben dem Miniaturhafen. Aufwändiger Schutz für das Hinterland vor den Gezeiten …
Gleich zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Fischer von Saint-Germain-en-Vaux (offizieller Name der Stadt) eine Petition für die Erweiterung des Hafens eingereicht. Das Ziel: Die Seeleute wollten endlich aufs Meer hinausfahren, ohne sich um die Gezeiten kümmern zu müssen. Dieser Wunsch hat sich jedoch bis heute nicht erfüllt. Der Ort wurde hier, glaube ich, bewusst unangetastet gelassen.
Es ist kein Zufall, dass der Pirat François-Médard Racine zu Beginn des 19. Jahrhunderts hier sein Quartier eingerichtet hat (so sagt man). Der nach ihm benannte Hafen, den er selbst gebaut haben soll, befand sich in einer strategischen Position in Bezug auf England und die Kanalinseln. Tatsächlich waren die britischen Kaufleute die bevorzugten Opfer der Freibeuter. Wer länger gräbt, wird jedoch auch Beweise dafür finden, dass es dort bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts Anlegestellen (ob in dieser oder anderer Art) gab.
So groß waren die Piratenschiffe: Hier eine Seeschlacht mit barbarischen Freibeutern, von Lorenzo A. Castro, 1681 (Illustration im öffentlichen Bereich). Passt nicht wirklich zur Größe des Hafens.
Laureys a Castro creator QS:P170,Q10319762 , Laureys a Castro - A Sea Fight with Barbary Corsairs, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Was hat es seither noch gegeben? Unerklärliche Hunderte von Metern Mauern vor der Küste, einige davon konkav hinter Riffen, lassen mich vermuten, dass sich hinter der Anlage noch mehr verbirgt. Solche Details werden in keinem Reiseführer erwähnt. Man sollte weiter nachforschen. Es gibt sicherlich noch einige Dinge zu hinterfragen. Ich werde dran bleiben.
Der Auftakt eines sehr langen Mauerabschnitts, der außerhalb des Bildes praktisch "endlos" weiter verläuft.
Aufwändige konvexe Mauerwerksstrukturen ohne erkennbare Funktion. Warum hat man diese Mühe auf sich genommen? Davor und dahinter sind Felsen/Riffs, die das Hinterland sicherlich bereits ausreichend geschützt hätten. Direkten Wohnraum dahinter bzw. oben drüber gibt es auch nicht.