Festungsplan v. Düsseldorf, kolor. Handzeichnung, 1759; © vermutl. Französische Rheinarmee, Public domain, via Wikimedia Commons Bildquelle
Sternenforts begegnen mir andauernd. Allerdings muss ich zugeben, dass es eine Weile gedauert hat, bis ich mich dieser Sache etwas gründlicher annahm. Eigentlich erst dann, als ich feststellte, dass diese Dinger überall auf der Erde existierten und zum Teil auch noch immer vorhanden sind. Eine Städtebau-Architektur, die sich wie ein roter Faden um die Welt zieht, aber wissenschaftlich alles andere als hoch aufgegangen wird. Eher im Gegenteil: Diese kunstvolle Rahmen um alte Städte sind bei näherem Hinsehen – oder besser: aus der Vogelperspektive – überall auf der Welt derart allgegenwärtig, das es mir gleichsam vorkommt, als würde das Thema bewusst unter den Teppich gekehrt oder zumindest bagatellisiert. Handelt es sich dabei um Zufall, blinde Ignoranz oder vorsätzliche Täuschung? Vielleicht kommt man der Sache etwas näher, wenn man sich mit einigen Fragen beschäftigt, die einem bei der Spurensuche zwangsläufig begegnen.
Man soll ja immer erst mal vor der eigenen Türe kehren, wenn man sich mit Themen auseinandersetzt, die eigentlich nur eine Blaupause für andere Phänomen auf der Welt gelten. Deswegen fange ich mit Düsseldorf an. Meiner alten Heimat, in der ich einst geboren wurde. Was aber hat Düsseldorf mit Sternenforts zu tun? Schaut man sich den heutigen Stadplan von oben an, sieht man nichts von den interessanten Sternenfort-Strukturen, über die ich das erste Mal im Erdkundeunterricht der Oberstufe erfahren hatte.
Bild links: Sébastien Le Prestre de Vauban (1633-1707) als Festungsbaumeister unter Ludwig XIV. Ob er mehr gebaut oder umgebaut hat, bleibt offen. Tatsache ist, dass er sich sehr viel von Türken abgeschaut hat, was seine An- und Umbauten betrag. Er liefert keine Erklärungen zur weltweiten Präsenz der umfangreichen Starfortanlagen, die sich im Prinzip ähneln. Als Urheber und Zugpferd dieser Idee scheint er für mich jedenfalls nicht in Frage zu kommen.
(Abbildung © Hyacinthe Rigaud, Public domain, via Wikimedia Commons Wikimedia Commons, Bildlink)
Sternenfestungs- oder Starfort-Strukturen werden stets mit Festungscharakter in Verbindung gebracht und gehen seit meiner ersten Kenntnisnahme auf Sébastien Le Prestre de Vauban zurück, der hier angeblich Pionierarbeit geleistet haben soll. Mein damaliger Erdkundelehrer wurde damals nicht müde, mit glänzenden Augen auf diesen französischen Militär-Ingenieur des 17. Jahrhunderts zu verweisen und untersuchte mit uns jede Menge topografischer Karten von Städten, die mit diesen gezackten Einrahmungen versehen waren. Damals wurde sich nicht darum geschert oder näher untersucht, wie komplex oder verteidigungstechnisch wirksam solche Anlagen waren. Im Zweifel lässt die Mainstreamwissenschaft heutzutage nach wie vor keinen Zweifel daran, dass wir es hier mit einer ausgefuchsten Verteidigungsstruktur zu tun haben, die als Innovation dieser Zeit gepriesen wurde. Mittlerweile wissen wir, wenn wir uns dafür ernsthaft interessieren, dass Vaubun bestenfalls einer unter vielen war, der sich mit Befestigungsanlagen beschäftigt hatte, die so aussahen, wie wir sie heute kennen. Ich verwende bewusst den Begriff "beschäftigt", denn so voreilig möchte ich nicht sein, ihn als als Erfinder und Erbauer dieser Strukturen zu identifizieren.
Nicht umsonst heisst es offiziell: "Insgesamt war Vauban am Bau beziehungsweise Um- oder Ausbau von 160 Festungsanlagen beteiligt". (Quelle) Er hat wohl etwas "daran gemacht" … als Urheber dieser Bauweise ist er damit nicht zwangsläufig in Verbindung zu bringen.
Aber zurück zu Düsseldorf. Ich habe mich mal umgehört, wer als alter Düsseldorf den Begriff Sternenfestung kennt ober ob er ihn mit Düsseldorf in Verbindung bringt. Fehlanzeige, dafür gibt es den Begriff Zitadelle, mit dem ein eingefleischter Düsseldorfer weit mehr anfangen kann. Zumindest klingelt da was: "Citadellstraße, Wallstraße, Spee'scher Graben … hmmm". Das war's dann aber auch schon.
Dass Düsseldorf einst eine ausgeprägt "eingehauste" Stadt war, die von spitz zulaufenden Wällen (sogenannten Kurtinen) umgeben war, konnte ich mir bis dahin selbst nicht vorstellen. Und dennoch: Sowohl die die Rhein- als auch die Landseite (Norden, Süden, Osten) waren von einer gezackten Linie mit Wällen, Mauern und Gräben versehen. Gleich in mehreren Wällen oder "Lagen" hintereinander. Wo sind diese Dinger, alles nur Spinnereien? Selbst über Google Earth kann man hier keine Rudimente mehr entdecken.
Abbildungen darüber und darunter: Ehemaliger Sicherheitshafen: "1985 entdeckte man bei Tiefbauarbeiten die alten Hafenmauern, Teile der Zitadelle und auch Teile des Berger Tores." Weiteres Zitat aus dem Lokalkurier von 2013 (Quelle): "Einen Teil der Hafen-Bastionsmauern hatte man da schon abgeräumt und als Untergrund für den Straßenbau zur Autobahn bei Hilden-Süd gefahren. Nur dem Stadthistoriker Anton Tripp ist es zu verdanken, dass die Bauarbeiten stoppten. Er sprang in die sechs Meter tiefe Baugrube und verlangte nach den Bauleitern und dem Unternehmer. Nach öffentlichen Protesten unterbrach man zunächst die Bauarbeiten und überdachte die Planungen." Nur dem beherzten Vorgehen eines Einzelbürgers ist es zu verdanken, dass man hier diesen Abschnitt der alten Zitadelle noch erhalten hatte. Wieder einmal darf man sich fragen, wo hier die sonst allgegenwärtigen Altertumsbehörden und Schutzarchäologen befanden. Es kann ja kaum sein, dass man von solchen Resten vorher keine Kenntnis hatte. Umso widersprüchlicher die Aussage unten im Zusammenhang mit dem Ausbau der Rheinufertunnels, wo man behauptete, hierüber alles vorher gewusst zu haben.
Nur noch auffälig wenige topografische Karten aus dem 18. Jahrhundert und davor geben darüber Aufschluss, wie völlig anders das Stadtbild seinerzeit einmal ausgesehen hatte. Wer aufmerksam hin hört, findet ab und zu in der Neuzeit ein paar dürre Zeilen in den Meldungen. Wie bereits oben erwähnt fand stieß man beim Ausbau des Rheinufertunnels vor 25 Jahren auf Reste des alten Forts: "Das Auffinden historischer Funde im Untergrund dieses geschichtsträchtigen Umfeldes von Düsseldorf war von vornherein als sicher angenommen worden. So wurden vor allem im Bereich des Rathausufers Teile der Hafenanlagen und der Zitadelle gefunden, die bei der Schleifung der Festung im Boden belassen worden waren." (Quelle). Dass sich die Bauarbeiter damals anders verhielten, entnehmen wir ja der o.g. Aussage im Lokalkurier, der hier eher die rücksichtslose Vorgehensweise der Bauarbeiten unterstellte. Wer genaueres über die spektaktuläre Missachtung bei den chaotischen Ausgrabungen erfahren möchte, informier sich >> hier (Download des Berichts der baubegleitenden Maßnahmen)
Auf der nachstehenden Zeichnung kann man im Prinzip noch nichts erkennen, allerdings schon etwas erahnen. Von der Altstadt bis zur Kö wird der Stadtkomplex durch die Düssel eingerahmt, im Süden spitz zulaufend. Die Stadteile Pempelfort und (heutige) Innenstadt wirken "ausgegrenzt". So sah Düsseldorf 1809 aus, nachdem die Franzosen 1801 (also kurz zuvor) die ehemalige "Festung" bzw. das alte Sternenfort abgeschleift, d.h. dem Erdboden gleich gemacht hatten.
Düsseldorf und seine Umgebungen 1809; Abbildung: © gez. von Guffroi, gest. von W. Breitenstein, Public domain, via Wikimedia Commons; Link Bildquelle
Wenige Jahre zuvor war das Sternenfort noch völlig intakt und in allen Ausbaustufen (oder evtl. Modifikationen) vollständig kartographisch erfasst (Zeichnung © vermutl. Französische Rheinarmee, Public domain, via Wikimedia Commons; Bild-Quelle/Link: Wikimedia Commons):
Die Zitadelle nach einem weiteren Ausbauschritt 1620 (Rekonstruktionsansicht). Wie es zeitlich davor aussah und ob hier wirklich alle Wälle rekonstruiert wurden, weiss bis heute niemand genau. Diese nachstehende Rekonstruktionszeichnung basiert wie gesagt nur auf Spekulationen.
Zeichnung © Ottomar Möller, Public domain, via Wikimedia Commons; Link Bildquelle
In der Satzung zum Schutz des Denkmalbereichs Karlstadt der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 17. Juni 2005 gibt es ein paar Zahlen. Die Zahlen werden in allen Werken eher "zögerlich" herausgegeben, hier heisst es in § 5 etwas konkreter: "Der Denkmalbereich besteht aus der ehemaligen Zitadelle, der Karlstadt und der Königsallee. Hierzu gehören auch jeweils angrenzende Bereiche. Es handelt sich um ein kontinuierlich von 1538 bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gewachsenes Gebiet.
Die Zitadelle: Der Jülicher Landtag stellte 1538 ein umfassendes Programm zur Sicherung des gesamten Herzogtums auf, wozu auch der Ausbau der Stadt Düsseldorf zur Landesfestung durch den Bau eines neuen Schlosses mit einer eigenen bastionären Befestigung, einer Zitadelle, am Rheinufer südlich der Altstadt zählte. Nach einer Unterbrechung der Arbeiten an der Zitadelle rief Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz (1658 - 1716) zur Neuansiedlung auf dem Gebiet der Zitadelle auf. In der Folgezeit wurde die Zitadelle zunächst mit Adelssitzen bebaut. Solche entstanden auch an der Wallstraße und Bilker Straße im Gebiet der Denkmalbereichssatzung." (Quelle) Soweit die nüchterne Zusammenfassung.
Tatsächlich gab es mehrere Phasen des Baus oder zumindest der späteren Erweiterung. Bei der grundsätzlichen Entstehung wäre ich eher vorsichtig, da hier immer mal wieder mit unterschiedlichen Zahlen jongliert wurde. Aus Wikipedia "lernen" wir: „Nachdem die Stadt im Südwesten durch die Errichtung der Zitadelle ab der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erweitert worden war, mussten auch die Wassergräben vor den Stadtmauern in diesem Bereich modifiziert werden. Die Stadtbefestigung im gesamten südlichen Bereich wurde ab Ende des 17. Jahrhunderts bei dem weiteren Ausbau der Festungsstadt neu angelegt und die Schutzanlagen besonders im südöstlichen Bereich nach Süden verschoben. Die bisherigen alten Befestigungswerke bestehend aus Wassergräben und Stadtmauer mit den Erdwällen verloren dadurch ihre Aufgabe, blieben aber für einige Jahrzehnte weitgehend bestehen. Erst 1787, als man die Carlstadt anlegte, wurden Mauer und Wälle der alten Stadtbefestigung im Bereich der Wallstraße eingeebnet und die davor vorhandenen Wassergräben zugeschüttet.“
Am Grundbau war der "berüchtigte" Vauban jedenfalls nicht beteiligt. Dafür angeblich jedoch ein gewisser Alessandro Pasqualini. "Nachdem Pasqualini 1547 für Wilhelm V., Herzog von Jülich-Kleve-Berg, in Jülich beratend tätig gewesen war, wurde er am 15.4.1549 offiziell zum Baumeister von Stadt und Festung Jülich bestallt. Die Stadt sollte nach dem verheerenden Stadtbrand von 1547 zu einer modernen Residenzstadt ausgebaut werden. Den architektonischen Höhepunkt der am Reissbrett geplanten Anlage bildete – neben einer fünfeckigen Stadtbefestigung und einer einheitlichen innerstädtischen Bebauung – das neue Residenzschloss in einer eigenen vierbastionären Festung („palazzo in fortezza"). Entwurf und Erhaltungszustand der Zitadelle Jülich sind für Nordeuropa nahezu einzigartig. Unter der Bauleitung Pasqualinis wurde zudem das Schloss in Düsseldorf, die spätere Hauptresidenz Wilhelms V., weitreichend ausgebaut. Ohne seine Tätigkeit jeweils genau eingrenzen zu können, ist er auch in Benrath, Bensberg, Hambach, Heinsberg, Kaster und Kleve nachweisbar." (Quelle)
Abbildung © Sebastian Sigler, Scherpentiner, CC BY-SA 4.0
Auf sein Konto soll auch die Sparrenburg (Bielefeld) gehen, allerdings ist bei näherem Hinsehen der Fakten zu vermerken, dass auch er modernisierende Arbeiten dort vorgenommen hatte. Er kümmerte sich um die Befestigung, d.h. den seitlichen Scherpentiner und die umgebende neue Mauer.
Pasqualini wurde immer wieder im Zusammenhang mit dem Schlossausbau in Düsseldorf genannt. Allerdings gibt es keine konkreten Hinweise, ob seine Beteiligung an der Zitadelle bzw. den umgebenden Bastionbau sich nur auf Ausbesserungs- bzw. Erweiterungsmaßnahmen erstreckt. Man muss ohnehin sehr tief graben, um überhaupt Spuren seiner Beteiligung zu entdecken. Manfred Rech schreibt in seinem Artikel "Baubegleitende Untersuchungen an der Düsseldorfer Zitadelle und am alten Hafen":
"Nach der Konsolidierung der politischen Verhältnisse muß Wilhelm das Festungsprojekt weiterbetrieben haben. Schon lange hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß mit der Entwicklung schwerer Geschütze eine Verteidigung von Städten durch einfache Wehrmauern nicht mehr möglich war. Kernstück der neuen Befestigungsbauten sollte eine Zitadelle im Süden der Stadt sein, die, mit der Westflanke angelehnt an den Rhein, der mittelalterlichen Stadtbefestigung vorgelagert war. Diese Situation - noch ohne die späteren Erweiterungen - ist gut in einer Tuschezeichnung des 18. Jahrhunderts dargestellt, die ihrerseits auf einer Vorlage aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts fußt. Zoll- und Rheintor sowie die rheinseitige Front der Zitadelle sind recht naturgetreu wiedergegeben (Abb. 1). Die zwischen beiden Bauteilen - mittelalterliche Stadtbefestigung und Zitadelle - fließende Düssel weist noch keine Befestigung am nordseitigen Ufer auf3. Herzog Wilhelm konnte als Festungsbaumeister den aus Bologna stammenden Alexander Pasqualini verpflichten. Nach dessen Tod 1559 wurde sein Sohn Maximilian Landesbaumeister von Jülich-Kleve-Berg."
Mal abgesehen davon, dass man heute keine Kenntnis darüber hat, welche Ingenieure und ausführende Kräfte das genau ausgeführt haben soll, gibt es auch nach der Durchsicht weiterer Unterlagen klare Hinweise darüber, dass Mauern und Wälle auch lange vorher schon bestanden haben. In "Geschichte der Stadt Düsseldorf" von Friedrich Lau (1921) erfahren wir folgendes: "Wenn die Erweiterungen der Stadt nur langsam und dann scheinbar unvermittelt erfolgten, so trugen die Hemmungen militärischer Bedenklichkeit daran die Haputschuld. Nur wer den Zusammenhang und Zusammenstoß militärischer und bürgerlich-wirtschaflticher Interessen kennt, vermag auch die Entwicklung der Stadterweiterungen richtig zu beurteilen. Deshalb muss die Schilderung des Werdeganges der Festung Düsseldorf derjenigen der Stadterweiterungen vorausgehen." Soweit so gut. Spannend aber in dem Zusammenhang hier aber auch der Hinweis, dass bereits 1288 gegraben und gebaut wurde, was die Einfriedung der Stadt anging. "Als Graf Adolf 1288 Düsseldorf zur Stadt erhob, leiteten ihn neben wirtschaftlichen vorwiegend militärische Beweggründe. Der Freiheitbrief betont deshalb besonders, dass der Bau von Wall und Graben um die Stadt weitergeführt werden solle. "… Der Mauerring gehörte zu den rechtlichen Voraussetzungen der Stadtfreiheit; die sogenannten "Freiheiten", ein Mittelding zwischen Dorf und Stadt, waren dagegen nur zum Ausbau und zur Unterhaltung eines Walles und Grabens verpflichtet." Also auch hier waren Gräben und Wälle die Vorläufer von Mauern.
"Sicher aber besaß die Stadt um 1350 eine geschlossene Befestigung mit Mauern und Toren." Eine "Landwehr" soll es möglicherweise sogar auch schon vorher gegeben haben. Eine interessante Festellung aus gleicher Quelle – allerdings weiss man nicht, wie komplex diese Struktur bereits damals war (ob sternförmig oder nicht). Tatsache ist allerdings, dass der Stadtgraben von der Düssel abgeleitet wurde und sogar parallel von ihr verlief.
Dass die Struktur bereits im 14. Jahrhundert nicht ganz so trivial war, könnte man aus folgenden Hinweisen ableiten:
• Über das Berger Tor wird bereits 1396 berichtet. Weitere Türme und Torburgen folgten spätestens im 14. Jahrhundert.
• Zu gleichen Zeit erfolgte die Ansiedlung von Hamm: "Einige Zeitlang schlossen sich also an die Altstadt sogar zwei Neustädte an, und zwar jede mit besonderen Befestigungen, wenigstens Gräben." Der Autor ergänzt etwas abfällig."Dass diese unnütze Verzettelung der Kräfte und Mittel nicht lange andauerte, wissen wir schon … " Kann man sich das an dieser Stelle so einfach machen?
Bastion- oder Sterneinfassung von Düsseldorf zur Rheinseite; Zeichnung © Matthäus Merian 1647 (Stich; Merian_d._Ä.,_Matthäus_-_Ansicht_von_Düsseldorf_(1647).jpg: Michael Reschkederivative work: Velopilger (Diskussion), Public domain, via Wikimedia Commons; Bildquelle)
In "Krieg und Frieden in Düsseldorf – Sichtbare Zeichen der Vergangenheit" (von Jörg Engelbrecht und Clemens von Looz-Corswarem) heisst es: "In der Mitte des 16. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem Ausbau Düsseldorfs als Landesfestung angelegt, diente sie nie wirklich militärischen Zwecken." Die Autoren wollten hier im Grunde auf etwas anderes heraus, trafen aber vermutlich unbewusst des Pudel's Kern.
Im Buch "Kleine Geschichte der Stadt Düsseldorf" heisst es: "Wolfgang Wilhelm ließ schon bald nach dem Beginn seiner Regierung vor dem Ratinger Tor, am Mühlenrondell (am heutigen Grabbeplatz) und am Rhein neue Erdwerke errichten. Sorge bereitete stets die Zitadelle im Südwesten der Stadt. In den Zeiten Wilhelms des Reichen vor dem älteren Berger Tor begonnen, war sie, halb fertig, liegengeblieben. Bei einem Angriff auf die Stadt wäre sie kaum zu verteidigen gewesen und hätte sogar dem Angreifer gute Deckung geboten. Erst 1620 wurde sie ausgebaut … "
Derselbe Autor bestätigt diesen Hinweis erneut, indem er den 2. Ausbau des Forts im 18. Jahrhundert beschreibt: "Die Befestigungen für den neuen Stadteil, die "Extension", wurden begonnen, an eine vollständige Bebauung war aber noch nicht zu denken. Erst Jahrzehnte später konnte der Gedanke wieder aufgegriffen werden. Vorerst blieben die die alten Befestigungen im Zuge der Wall- und der Grabenstraße bestehen und trennten die bisherigen Stadteile von der Extension, ein starkes Hindernis für ihren weiteren Ausbau. Bereits unter Philipp Wilhelm war die Befestigung der eigentlichen Stadt den Fortschritten der Kriegskunst entsprechend erneuert und verbessert worden. Der Fürst hattte die noch relativ ungeschützte Nordfront der Festung durch zwei Bastionen ausbauen lassen. …"
In "Geschichte der Stadt Düsseldorf" von Friedrich Lau (1921) efahren wir: "Mit der Einführung und Verbesserung der Feuergeschütze verloren die einfachen Stadtmauern ihre Widerstandskraft. So wurden schon im 15. Jahrhundert die Mauern von außen mit angeschütteten Wällen verstärkt …" Feuergeschütze sind meines Erachtens der Schlüssel zur Frage, warum man damals überhaupt so komplexe Wall- und Zackensysteme benötigt hat? Man hat sich also im 17. und 18. Jahrhundert intensiv mit Extensionen und Befestigungsverstärkungen bemüht, obwohl klar, war, dass ein Dauerbombardement aus der Ferne nichts an ihrer verheerenden Wirkung verhindern würde?
Interessanterweise bleibt mir dieser Satz im Gedächtnis, den Rech hinsichtlich der "Baubegleitenden Untersuchungen" (Quellenlink s.o.) in seinen Ausführungen einstreut: "Beim schnellen Fortschreiten der Baggerarbeiten wurde bald deutlich (etwa ab Mitte Juli 1985), daß es sich nicht um das Fundament eines Wohngebäudes handelte, sondern um eine Mauer, die zu der angeblich nach 1801 bis auf die Fundamente abgerissenen Zitadelle gehörte." Ob sich das "angeblich" auf den Abriss bezieht oder auf den Umstand, dass alles bis auf die Fundamente abgerissen wurde, mag jeder selbst für sich entscheiden. Beides ist problematisch, stecken darin ja auch Zweifel, ob nicht viel eher große Teile zugeschüttet wurden und ob hier wirklich die Franzosen seinerzeit so fleißig waren. Immerhin hatte man ja in den 80er Jahren reichlich intakte Kurtinen gefunden. Hätte man noch woanders gegraben, was wäre dann dort zum Vorschein gekommen …?
Ich habe mich schon oft gefragt, warum man sich die Mühe gemacht haben soll, diese Anlagen dem Erdboden gleich zu machen (falls das überhaupt der Fall war) oder zumindest zuzuschütten. Angefangen vom Hafenbecken bis hin zu allen weiteren Bastionbauten. In der Broschüre der Landeshauptstadt Düsseldorf "Düsseldorf – vom Fischerdorf zur Metropole - Sieben Jahrhunderte Stadtentwicklung" heisst es: "Das Schleifen der Mauern, Bastionen und Wälle 1801 befreit die Stadt aus dem Korsett der militärischen Anlagen. Denn diese Bedingung der französischen Revolutionstruppen für ihren Abzug nach dem Frieden von Lunéville war für Düsseldorfs weitere Stadtentwicklung ein Glücksfall." Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Besatzer zum Zwecke der Urbanisierungserleichterung so sehr der Bevölkerung gegenüber verpflichtet sahen, um hier die halbe Stadt einzuebnen. Äußerst seltsam, aber so etwas fragte ich mich ja schon im Zusammenhang mit der Zerstörung von Burgen.