(Exponat im Neandertal-Museum)
Auf den zweifellos ansehnlichen Figuren und Artefakten im Neandertal-Museum hat die Evolutions-Wissenschaft ihre Hand drauf: So stolpert man neben eigenen interessanten Evolutionspuppen in 3D auch über Lucy, der kleinen Berühmtheit aus Äthiopien, die vor „etwas“ über 3 Millionen Jahren in der Region von Hadar von einem Baum gefallen sein soll und die der hominiden Spezies Australopithecus afarensis zugeordnet wird. Soweit erst einmal nichts Außergewöhnliches, wenn man nicht großartig darüber nachdenkt. Die Nachbildung im Museum zeigt eine Wesen von knapp über einem Meter Größe, das Ergebnis einer Arbeit der niederländischen Bildhauer Adrie und Alfons Kennis.
Die beiden Zwillinge Kennis & Kennis schreiben auf Ihrer Reconstructions-Webseite „… We never read; we only looked at the pictures in the books. Human evolution was what interested us. We made clay models of drawings or we copied drawings of fossils and skulls. We still do.“ (Ende Zitat). OK, das klingt zwar schon mal inspirierend, aber nicht wirklich wissenschaftlich, schon gar nicht paläoanthropologisch.
Auf der Webseite >> planet-schule (SWR/WDR) lernen wir, dass die o.g. "Expertise" der beiden Künstler bereits ausreicht, um als "Urzeitspezialisten" gelten.
Hier der Bezug zur Neandertaler-Figur, die sie dort neben allen anderen gefertigt haben. Dazu weitere Zitate: "Alfons und Adrie Kennis glauben nicht, dass der Neandertaler gebückt und mit einer Keule in der Hand durch den Wald lief – sondern, dass er aufrecht ging."
Oder: "Die Neandertaler waren den ganzen Tag auf den Beinen und jagten Tiere, zum Beispiel Wildpferde. Dafür mussten sie kräftig sein. Doch wie ihre Muskulatur genau aussah, darüber sind sich die Wissenschaftler nicht einig. Die Kennis-Zwillinge entscheiden sich bei Herrn Mettmann für eine Zwischenlösung: Er soll zwar kräftig, aber nicht zu muskulös wirken."
Nun wollen wir uns einmal anschauen, welche Vorlage die zwei talentierten Künstler und Reproduktioner wohl gehabt hatten. Uups … Eigentlich wissen wir es nicht genau, aber wir wissen, was man seinerzeit (genaugenommen 1973) in Äthiopien fand. Amerikanische und französische Wissenschaftler haben damals Knochenfragmente gefunden, die man sich an anderer Stelle anschauen kann. Im Neandertal-Museum finden wir nur das "Ergebnis" einer Interpretation von freischaffenden Künstlern.
Das sind die Knochenfunde von Lucy aus den 1970ern.
Bild @ 120, Reconstruction of the fossil skeleton of "Lucy" the Australopithecus afarensis, CC BY-SA 3.0
OK, wir haben hier also ein paar Knochen eines fossilen Teilskeletts, einen nicht vorhanden Schädel, aus dem durch nachträgliche "Erkenntnisse" via Computertomografie, DNA-Tests und Puzzle-Fantasien die folgende Zusammensetzung gemutmaßt wurde. Hier die Nachbildung von Lucys Skelett im Frankfurter Senckenberg Naturmuseum
Foto: © Gerbil, Lucy (Frankfurt am Main), CC BY-SA 3.0
Am Ende der Entstehungsgeschichte steht also unsere Figur im Neandertal-Museum. Ich finde, aufgrund dieser wenigen Fragmente gehört schon viel Phantasie, um auf solch ein Ergebnis zu kommen, wie wir es dort präsentiert bekommen. Mehr möchte ich an dieser Stelle lieber nicht sagen … Was aber hat Phantasie mit harten Fakten zu tun?
Die Bezeichnung Lucy begründet sich aus einer angeblichen Laune der Entdecker heraus, die nach ihrem Fund nach eigener Aussage einmal zu oft "Lucy in the Sky with Diamonds" von den Beatles auf ihrem Tape gehört haben. Passt ja auch irgendwie in die frühen 70er, will man zunächst annehmen. Die Autoren Johansen, D. und B. Edgar ([1] Johanson, D., und B. Edgar. 2000. Lucy und ihre Kinder. Spektrum akad. Verlag ISBN: 3-8274-1049-5) setzen eine popularistische Benchmark: "Lucy ist weltweit zum Inbegriff unserer frühesten Vorfahren geworden. Wie ein Magnet zieht sie selbst Menschen an, die nichts von der menschlichen Evolution wissen und jeder hat irgendwie schon einmal von Lucy gehört." Wir sollen also lernen, das 47 Knochenfragmente zum einen genügen sollen, uns ein schimpansenähnliches Weibchen mit hominidem Bezug vorzustellen und zum anderen, uns in der vorgegebenen Evolutionstheorie weiter bestätigt zu fühlen.
Klingt nach wenig Freiraum für eigene Phantasien, wenn uns vorgegebene Künstler bereits den Weg in die 3D-Welt weisen.
Wissen schafft Freiräume. Aber ab wann fängt die Phantasie an? Lucy macht uns vor, dass hier große Plastizität auf dünner Faktenlage angelegt wird: Für Menschen, die gerne Vorgefertigtes annehmen, was ja häufig auch bequem ist – ohne die Dinge selbst einmal zu hinterfragen.
Lange Zeit wurde sogar dahingehend spekuliert, dass Lucy alleine schon deshalb buchstäblich vom Himmel gefallen sein muss, weil sie ja angeblich durch einen Sturz vom Baum zu Tode gekommen sein soll.
Vielleicht interessiert Symbolik-Interessierte, was es mit dem abgeleiteten Beatles Song und seiner Bezeichnung/Herkunft zu tun hat.
Hartgesottene Beatle-Fans kennen die Geschichte von Johns Sohn Julian, der mit einigen Kunstwerken aus dem Kindergarten nach Hause kommt und so seinen Vater dazu inspiriert, den Songtext von Lucy zu schreiben. John bestätigte die Geschichte in einem Interview mit dem Playboy, das kurz nach seinem Tod veröffentlicht wurde:
PLAYBOY: "Wo kommt Lucy in the Sky' her?"
LENNON: "Mein Sohn Julian kam eines Tages mit einem Bild, das er über eine Schulfreundin namens Lucy malte. Er hatte einige Sterne am Himmel eingezeichnet und nannte es einfach "Lucy in the Sky with Diamonds".
PLAYBOY: "Die anderen Bilder im Song waren nicht von Drogen inspiriert?" (Hinweis: Lange Zeit wurde hier L.S.D. als versteckte Symbolik hinter dem Titel gesehen).
LENNON: "Die Bilder stammen aus 'Alice im Wunderland'." Alice war im Boot. Sie kauft ein Ei und es wird zu Humpty Dumpty. Die Frau im Laden verwandelt sich in ein Schaf und in der nächsten Minute rudern sie irgendwo in einem Ruderboot und ich habe mir das vorgestellt. Da war auch das Bild der Frau, die eines Tages kommen würde, um mich zu retten.... ein "Mädchen mit Kaleidoskopaugen", das aus dem Himmel kommen würde. Es stellte sich heraus, dass es Yoko war, obwohl ich Yoko noch nicht getroffen hatte. Also sollte es vielleicht "Yoko in the Sky mit Diamanten" heißen.
Meine persönliche Anmerkung: Vielleicht kam der Wissenschaft die Fundsache Lucy aus Äthiopien auch gerade recht, um die Evolutionstheorie zu retten … Meiner Ansicht nach müssen kleinwüchsige Wesen nicht zwangsläufig wie Affen aussehen, selbst oder gerade wenn sie Hominiden zugeordnet werden. Vielleicht will man uns lt. Altersdatierung (sofern sie stimmt) auch über optische Mittel weis machen, dass wir es hier bestenfalls mit einer "affenartigen" Spezies ohne großartige Fähigkeiten zu tun haben. Einem niederländischen Künstler glaube ich jedenfalls nicht mehr als meiner eigenen Phantasie.